Samstag, 8. Februar 2014

Rezension: J. Mattukat "Mami, ist das vegan?"

Es gibt Neuigkeiten. Ich hab mich bei Blogg dein Buch angemeldet.
Das Prinzip ist wie für mich gemacht: Ich krieg ein Buch umsonst und die wollen, dass ich meinen Senf dazu abgebe. Besser geht's doch kaum.

Den Anfang macht der Erfahrungsbericht "Mami, ist das vegan?" von Jumana Mattukat, herausgegeben vom J. Kamphausen Verlag.
Bestellbar ist das Buch hier.
Die Autorin entschließt sich, künftig vegan (also ohne Produkte tierischen Ursprungs) zu leben. Ihre Familie schließt sich ihr dabei teilweise an. Ob und wie die Mattukats es schaffen, sich vegan zu ernähren und was ihre Umgebung dazu sagt, davon handelt das Buch. Außerdem natürlich davon, warum die Autorin eine vegane Lebensweise überhaupt für erstrebenswert hält.
Im Anhang findet sich noch eine kleine Rezeptesammlung.























Bevor ich jetzt darauf eingehe, wie ich das so Buch so finde, sage ich ein paar Worte über mich selbst.
Ich bin eine grüne Socke. Ich fahre kein Auto, spare Energie, gehe nicht Skifahren, rette Insekten, trenne brav Müll, und Vegetarier war ich immerhin sechs Jahre lang. Ich glaube, dass man jeder Kreatur mit Achtung und Mitgefühl gegenübertreten sollte. Ich fühle mich schlecht, wenn ich Blattläuse töte.
Die Fronten wären also geklärt: Ich denke, dass die Veganer auf der richtigen Seite stehen.

Das Buch kann ich trotzdem nicht empfehlen.
Etwas Neues habe ich beim Lesen nicht gelernt. Unterhaltend fand ich es auch nicht.
Eigentlich hat mich das Buch entweder gelangweilt oder geärgert.

Fangen wir mal damit an, warum die Autorin Veganerin wird.
Grund 1:
Sie hat Mitleid mit den Tieren. Das ist ein meiner Meinung nach völlig legitimer Grund. Massentierhaltung ist mit unendlich viel Leid und Grausamkeit verbunden.
Den Standpunkt der Autorin "Wenn keiner Produkte von Tieren verbraucht, braucht man auch keine Nutztiere mehr und das Problem ist gelöst" kann ich aber nicht nachvollziehen. Tierhaltung ist auch verantwortungsvoll und liebevoll möglich und sinnvoll - auch wenn Tiere geschlachtet und gegessen werden.
Außerdem weigere ich mich hartnäckig dagegen, mir einreden zu lassen, dass der Verbraucher alleine an allem schuld ist. Wir leisten uns eine gutbezahlte Menge an Politikern, die z.B. die Käfighaltung von Hühnern verbieten könnten - wie vor Jahren bereits in der Schweiz geschehen. 
Grund 2:
Vegan ist ihrer Meinung nach gesund, auch und gerade für Kinder.
Das kann ich so nicht glauben. Da helfen auch die zahlreich zitierten Quellen aus dem Internet nicht - der menschliche Körper ist nicht dafür gebaut, ausschließlich pflanzliche Nahrung zu sich zu nehmen. Es gibt im Internet genügend "Gegenbeweise", wenn man sich unbedingt Argumente um die Ohren hauen möchte.
Ich fange jetzt gar nicht groß mit dem Thema an, dass Frau Mattukat schließlich auch der Hauskatze veganes Trockenfutter kauft und das Tier dann regelmäßig zur Kontrolle zum Tierarzt schleppt. Die von der Katze totgequälten, aber ungefressenen Mäuse tun ihr übrigens nicht besonders leid - das ist dann "Natur".
Grund 3:
Ohne Tierhaltung gäbe es keinen Hunger auf der Welt (ein bisschen überspitzt ausgedrückt).
Wenn die Industrienationen kein Tierfutter bräuchten, hätten die Armen genug zu essen. Wie das aber so ganz genau funktionieren soll, darüber schreibt die Autorin nichts. Wie war das noch gleich wieder mit dem Biodiesel und den Sojabohnen?
Das Problem der Ausbeutung der sogenannten Dritten Welt lässt sich ganz so leicht wohl doch nicht lösen.

Wirklich unangenehm finde ich allerdings, dass die Autorin wiederholt den Veganismus als die einzige Lösung des Problems der Massentierhaltung darstellt und nicht-veganen Menschen sträfliche Gedankenlosigkeit unterstellt, z.B. bei einer Kaufentscheidung im Supermarkt:
"Ich war hin- und hergerissen. In dem Moment habe ich mir ehrlich gewünscht, ebenso unbewusst einkaufen zu können wie all die anderen Menschen um mich herum. Die machten sich offensichtlich überhaupt keine Gedanken um Kinder, Tiere oder die Umwelt."
Na, herzlichen Dank auch.
Und ich dachte immer, ich wäre arrogant.

Noch schlimmer zu ertragen ist für ich die ständige Gleichsetzung vom Leid der Tiere mit menschlichen Empfindungen.
Ein Beispiel: In der Schweinezucht werden die Muttersau und ihre Ferkel durch ein Gitter getrennt. Es kommt vor, dass Ferkel sterben, und die Sau kann sie nicht erreichen. Das ist grausam, da sind wir uns einig.
Die Ausführungen der Autorin dazu
"Stellen Sie sich das mal vor: Sie sind eingesperrt, zum Teil sogar so liegend angebunden, dass Sie nicht aufstehen können und Sie können nicht zu Ihrem sterbenden Kind gelangen."
finde ich aber geschmacklos und unzutreffend.
Das Gitter zwischen den Tieren ist da nicht, weil die Schweinezüchter alle perverse Sadisten sind. Es soll verhindern, dass die Sau die Ferkel versehentlich erdrückt - oder absichtlich tötet und auffrisst. Das tun einige weibliche Säugetiere, wenn sie unter widrigen Bedingungen Junge bekommen. Ein Riesenzuchtbetrieb ist für die (wirklich arme) Sau eben genau so ein Umstand. Davon steht in diesem Buch aber kein Wort.
Und: Eine Frau mit einem Baby kann man meiner Meinung nach einfach nicht mit einer Sau mit einem Ferkel gleichsetzen. Damit tut man Menschen und Tieren Unrecht.
Die Sau hat einen Mutterinstinkt und einen Selbsterhaltungstrieb, aber was Liebe ist, das weiß sie nicht. Genauso wenig, wie die Katze weiß, was Grausamkeit oder Erbarmen ist. Wir Menschen wissen das aber, und deshalb sollten wir uns entsprechend verhalten. Gerade den Tieren gegenüber.

Harmlos, nur ziemlich ermüdend sind die Ausführungen der Autorin zum Alltag als Veganer. Ein Alltag mit (Zweit-?)Auto, Flugreise nach Spanien und offenbar genügend Zeit und Geld, übrigens.
Auch da wurde ich aber das Gefühl nicht los, dass alles, was nicht passte, passend gemacht wurde. Sehr viel Harmonie allerorten.
Ich könnte noch seitenweise weiterschreiben, aber ich denke, das reicht jetzt.

Über die Rezepte kann ich nichts sagen - nachdem ich das Buch endlich durchgelesen hatte, hatte ich keine Lust mehr, sie auch nur anzuschauen.

Fazit: Gebt euer Geld lieber für ein gutes (veganes) Kochbuch oder einen Ernährungsratgeber aus.